Wir erreichen die Einstiegsstelle in die Schlucht und üben erst einmal trocken an einer sicheren Stelle die Technik für das Abseilen. Anschließend richten die Guides die Sicherung am Fels ein, einer von uns Teilnehmern wird am Sicherungsgerät vom Guide eingebunden. Es folgen ein Schritt nach hinten, eine Gewichtsverlagerung ins Gurtzeug, einmal Lächeln für’s Foto – und dann geht es abwärts. Direkt neben einem kleinen Wasserfall. Unten wartet der andere Guide, gibt Anweisungen und nimmt mir schließlich die Sicherung ab als ich unten angekommen bin. Wir stehen noch etwa einen, vielleicht anderthalb Meter über einem natürlichen Becken, in das sich der Wasserfall ergießt. Der Guide erklärt kurz, wie es hier weitergeht: Man kraxelt hinter den Wasserfall, vorsichtig, denn alles ist rutschig. Dann einen großen Schritt machen. Durch den Wasserfall hindurch. Wuhuuuuu!
Ui! Eine Millisekunde später rast Adrenalin durch meinen Körper, ich bin sofort hellwach und schnappe nach Luft. Verdammt, ist das Wasser kalt! Prustend schwimme ich ans Ufer und beobachte zusammen mit meinem Herzmann, wie sich die anderen beiden Teilnehmer abseilen und nach dem Auftauchen aus dem Wasser ein ähnlich verdutztes Gesicht machen wie ich.
…und rutschen!
An der nächsten Stelle erwartet uns eine kleine, natürliche Steinrutsche, vom Wasser ausgewaschen und ganz glatt. Unser Gurtzeug hat einen kleines Stück lederartigen Stoff, der über dem Hintern hängt. Ja, wie eine Windel. Sieht lustig aus und tut hier genau, was es soll: Es lässt uns rutschen. Also, hinsetzen, die Arme vor der Brust über Kreuz nehmen, eng am Körper, Oberkörper nach hinten – und ab geht die Fahrt. Es dauert nur einen Sekundenbruchteil, dann platschen wir mit den Füßen voran wieder in ein kleines Becken und schwimmen unter einem Baumstamm hindurch ans Ufer.
Dann folgt ein erster kleiner Sprung. Alles noch halb so wild, jauchzend hüpfen wir nacheinander ins Wasser. Sagte ich schon, dass ich von hohen Plätzen aus ins Wasser springen gar nicht mal soooooo cool finde? Ja, ich weiß, das ist beim Canyoning vielleicht nicht die perfekte Voraussetzung, aber probieren wollte ich es trotzdem. Nachdem ich beim zweiten, etwas höherem Sprung zögere, gibt mir einer der Guides den Tipp, wenn überhaupt, dann nur maximal ganz kurz nach unten zu schauen. Dann direkt springen. Ohne darüber nachzudenken. Einfach einen Schritt machen. Klingt nach einem logischen Plan, denn umso mehr ich zögere, umso mehr blockiert da irgendwas in mir.
Wie es aussieht, wenn der Sprung klein ist und mir Spaß macht, siehst du hier:
Wandern, rutschend, abseilend und mit nur wenigen Sprüngen “arbeiten” wir uns die Schlucht hinab. Wir genießen die Bewegung, das direkte Naturerlebnis und vor allem diesen natürlichen Spielplatz für Große sehr. Auch auf den Azoren ist der trockene Frühling und der warme Sommer zu merken – es ist wenig Wasser in der Schlucht. Ab und an zeigen die Guides uns Stellen, an denen sonst tiefe Becken waren. Heute sehen wir hier nur Pfützen, vergleichsweise, in diese hinein zu springen wäre zu gefährlich.
Große Sprünge zum Schluss – ohne mich…
Schließlich erreichen wir die Straße und den allerersten Wasserfall wieder, klettern aber weiter und folgen dem Flüsschen in den Park und das Freilichtmuseum hinein. Hier wird unsere Tour enden. Und zwar mit einem letzten Sprung. Einem, an dem ich mehrfach zu lange zögere und es schlussendlich einfach nicht mehr schaffe, mich zu überwinden. Es sind ca. 8 – 9 Meter bis zur Wasseroberfläche, was darunter kommt, kann ich nicht sehen, zu dunkel ist das Wasser. Die anderen drei springen jauchzend ob des langen Falls, ich nehme zusammen mit dem verbliebenden Guide den Exit über einen schmalen Pfad und treffe die anderen schließlich wieder. Und wisst ihr was? In der Woche drauf waren wir noch einmal dort, haben uns den letzten Sprung von unten aus angesehen – und es sieht verdammt noch mal gar nicht so hoch aus vom anderen Ufer.
Aber nun ja, an diesem Tag sollte der Schlusssprung nicht sein. Trotzdem: Ich hatte einen Haufen Spaß an diesem Tag, bei der Erkundung der Schlucht und des Dschungels und würde Caynoning definitiv jederzeit wieder machen wollen. Dann beim nächsten Mal mit ein bisschen mehr “Augen zu und durch”. 😉
Ein paar Eckdaten noch:
Gebucht haben wir die Tour erst vor Ort, es gibt auf der Insel diverse Anbieter., die Auswahl ist groß. Wir waren vier Stunden auf einer Anfänger-Tour unterwegs, dafür hatten wir uns nach einem ersten Kontakt mit dem Team von Azores Adventure Islands entschieden.
Kostenpunkt: Für zwei Personen haben wir 110,- € bezahlt. Und wir hatten richtig Glück, dass wir nur vier Teilnehmer auf der Tour waren, andere Gruppen, die an diesem Tag in der gleichen Schlucht unterwegs waren, hatten deutlich mehr Teilnehmer.
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