Geführte Wanderungen gibt es viele. Zu Sehenswürdigkeiten allemal. So auch zu einem der monumentalen keltischen Denkmäler im Saarland, dem keltischen Ringwall Otzenhausen, im Sommer mindestens einmal pro Monat. Aber diese Einladung hat mein Interesse geweckt: eine Abendwanderung zum Ringwall, geführt von einer “echten” Keltin, mit Taschenlampen durch den Wald und Picknick auf dem Plateau bei Sonnenuntergang. Fühlt sich gerade noch jemand an Nachtwanderungen in Kindertagen erinnert?
Ein paar “technische” Dinge vorweg: Angeboten wurden diese besondere Wanderung von der Europäischen Akademie Otzenhausen (EAO). Dort beginnt der keltische Skuplturenweg “Cerda & Celtoi” (bedeutet Kunst & Kelten, hat man mir gesagt), ein spannendes Projekt, in dem aus allen ehemaligen keltischen Siedlungsgebieten Künstler und Bildhauer eingeladen wurden, Skulpturen zu schaffen. Und das nur aus Materialien, mit denen auch die Kelten schon gearbeitet haben – wir sprechen hier von einer Zeit vor 2.500 Jahren. Der keltische Ringwall ist eines der größten europäischen Bodendenkmäler aus der Zeit der Kelten (weitere Infos: Keltenring Otzenhausen). Mitten im Wald bei Otzenhausen trifft man auf eine noch ca. 10 Meter hohe Mauer aus riesigen Steinen, wohl eine Verteidungsanlage einer keltischen Siedlung. Ein wirklich beeindruckendes Bauwerk, vor allem wenn man sich vorstellt, wie lange es schon dort steht und welche Mühen es die Menschen vor 2.500 Jahren gekostet haben muss, es zu bauen. Hier noch ein paar Bilder von einer Besichtigung im Juni im Hellen:
Die Abendwanderung, die pro Person 9,90 € inkl. Picknick und Leihtaschenlampe gekostet hat, führt von der EAO über eben diesen Skulpturenweg zum Keltischen Ringwall bei Otzenhausen und wieder zurück, Gesamtstrecke waren ca. 7 Kilometer. Frau Adam von der EAO begrüßt uns, als Keltin verkleidet in einem langen, geschmückten Kleid aus Wolle. Jeder Teilnehmer (ca. 30 Personen) bekommt ein Picknickpaket (Apfel, Wasser, Müsliriegel, Studentenfutter und Keltentaler) und nach einer kurzen Begrüßung und einer Einleitung zur Geschichte geht es dann los. Ach so, Beginn der Wanderung war um 19:30 Uhr. Als wir also in den Wald starten ist es nicht mehr ganz taghell, wir haben schließlich schon Anfang September. Wir wandern über den übrigens gut ausgeschilderten Weg “Cerda & Celtoi” in die Dämmerung hinein, wir machen an den Skulpturen Halt und Frau Adam erzählt uns etwas über die Entstehung, die Bedeutung und oft auch Anekdoten von der Entstehung der Skulptur. Sie ist mit Leidenschaft bei der Sache, weiß unheimlich viel und erzählt es packend und witzig, es macht Spaß ihr zuzuhören und man merkt ihr die Begeisterung für die Kelten und deren Geschichte an.
Als wir den Keltenpark, der derzeit bei Otzenhausen entsteht, hinter uns lassen und im Wald hinauf zum Ringwall steigen, brauchen wir so langsam doch die Taschenlampen. Irgendwann verlassen wir den breiten Forstweg, es geht jetzt steil über einen schmalen Trampelpfad den Berg hoch. Hinter uns können wir die Talsperre Nonnweiler im Abendrot noch kurz sehen bevor sie im Grau der einsetzenden Nacht verschwindet. Es ist dunkel und still, jeder konzentriert sich auf seine Schritte und die Wurzeln vor sich. Ein Käuzchen schreit, nur die Taschenlampen und der Mond hinter den Bäumen erhellen den steilen Weg. Und auf einmal stehen wir vor der großen Toröffnung im Ringwall. Diese wurde von den Archäologen übrigens an genau dieser Stelle nachgewiesen, das große Tor wird durch zwei große Holzpfeiler symbolisiert. Wir wandern in die Befestigungsanlage hinein, inzwischen ist es wirklich dunkel. Kurz darauf erreichen wir den Rand des Nordwalls, hier ist er am höchsten. Vor uns türmen sich ca. 10 m Steine in die Nacht. Kaum vorstellbar, dass dieses riesige Bauwerk einmal doppelt so hoch und dafür nur ein Drittel so breit gewesen sein soll.
Direkt unterhalb des Walls laufen wir weiter in Richtung der großen steinernen Treppe (siehe Bild oben). Neben uns hebt sich die schwarze Kontur des beeindruckenden Walls gegen den Nachthimmel ab, am Horizont schwebt noch ein schmales rotes Band der untergehenden Sonne. So richtig dunkel ist es also doch noch nicht, nur schluckt der Wald das Licht. Wir verlassen den Rand des Walls in Richtung des Plateaus. An einer Schutzhütte aus Stein erreichen wir den Picknickplatz. Frau Adam erklärt uns die Geschichte der “Keltentaler”, die sehr süß schmecken und sehr mächtig sind. Die “richtigen” Keltentaler oder -plätzchen gibt es oft auf Keltenfesten, erkennbar sind sie daran, dass sie nicht verkauft, sondern gegen Spende verteilt werden. Probiert sie ruhig mal, wenn ihr Gelegenheit dazu habt.
Nach unserem Picknick geht es weiter zu den letzten Stationen unserer Wanderung, ein besonderer Moment erwartet uns noch an der Ausgrabung eines Tempels, eines Heiligtums der Kelten. Zu viel wird hier aber nicht verraten. 🙂
Gegen 22:00 Uhr sind wir dann auf dem Rückweg in Richtung Otzenhausen und EAO. Es ist jetzt richtig dunkel, deswegen wandern wir auf dem breiten Forstweg den Berg hinab. Unterwegs gibt es links und rechts vom Weg immer wieder große Steinhaufen, sicherlich findet sich auch hier für den aufmerksamen Wanderer noch das ein oder andere “Lebacher Ei”. Tatsächlich haben Teilnehmer aus unserer Gruppe an einer anderen Stelle an diesem Abend solche Erzknollen gefunden. In der Höhe des Keltendorfs treffen wir noch auf zwei Forscher, die mit Hilfe verschiedener Lampen Nachtfalter fangen und bestimmen. Spontan erklären sie uns noch ihre Arbeit und zeigen uns verschiedene Exemplare – kostenlose Wissenserweiterung über Nachtfalter und Schmetterlinge allgemein. Toll!
Kurz vor 23:00 Uhr (leichte Verspätung wegen der spontanen Falteraktion) erreichen wir unseren Ausgangspunkt. Geplant war die Wanderung mit ca. 3 Stunden, eine gute Zeit meiner Meinung nach. Ich bin müde, es war eine lange Woche und ein langer Tag, aber sehr froh, diese Wanderung mitgemacht zu haben! Viel gelernt habe ich über die Geschichte der Kelten in unserer Region, Spannendes und Witziges zur Entstehung des Skulpturenwegs erfahren und außerdem eine tolle Nachtwanderung zu einem schon tagsüber beeindruckendem Ort erlebt. Es hat sich gelohnt!
Nachtrag Oktober 2016: Leider werden seit diesem Jahr die geführten Wanderungen von der Europäischen Akademie Otzenhausen auf den Ringwall nicht mehr angeboten, da der Keltische Ringwall im Gebiet des Nationalparks Hunsrück-Hochwald liegt.
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