Seit Monaten starren mich unsere zusammengerollten Packrafts an und rufen förmlich “Lass mich endlich wieder ins Wasser” – denn bis auf ein bisschen Rodeln im Januar mussten sie den die letzten Monate drinnen im Trockenen verbringen. Als sich also nach einem beruflich sehr vollen Januar endlich mehr Zeit und auch etwas wärmeres Wetter ankündigte, nutzten wir die Chance und planten unsere erste Packrafting-Tour im Winter. Uiuiui, ganz schön aufregend, war ich doch bisher ein echter “Warmliebhaber” und hätte nicht mal im Traum daran gedacht, mich bei unter 20 Grad Lufttemperatur auf das Wasser zu begeben. Was sich doch so alles mit neuen Sportgeräten ändert. 😉
Planung unserer Winterpackrafting-Tour
Letzten Sommer haben wir uns den DKV-Gewässerführer Deutschland Mitte-West für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland aus dem DKV-Verlag (6. Auflage 2016) zugelegt. Zusammen mit den aktuellen Online-Pegeln des Saarlandes finde ich das eine gute Basis für die Planung einer Tour. Dank einem ganz kleinen bisschen Ortskenntnis im Bereich Blieskastel stand relativ schnell die Blies als Ziel fest. Sie schien uns, auch nach der Recherche über Google Maps, als relativ ruhiger und breiter Fluss mit guter Busanbindung ab Blieskastel und damit gut geeignet für unseren Einstieg in die Wintertouren. Es gibt ein paar Wehre, die aber laut Kanuführer zu umtragen sind. Außerdem herrscht in der Bliesaue zwischen Blieskastel und Bliesdahlheim vom 15.03. – 15.07. ein Befahrungsverbot (das ausgeweitet werden soll für den ganzen Abschnitt bis zur französischen Grenze bis 15.08., siehe hier), so dass Mitte Februar uns als gute Wahl erschien.
Also: An einem Samstag Mitte Februar, an dem die Meteorologen uns keinen Regen vorausgesagt hatten, ging es für uns auf die Blies ab Blieskastel. Ziel soll Reinheim an der fanzösischen Grenze sein. Mehr als 16 Kilometer Wasserweg. Das schien uns viel, aber da in den Orten unterwegs immer wieder ein Bus zurück nach Blieskastel fährt, wagten wir es.
Die Eckdaten unserer Tour:
– Einstieg: Blieskastel unter der Brücke an der B423
– Ausstieg: Reinheim, Kanuanlegestelle
– Strecke (laut Polar M400): 16,75 km
– Dauer (laut Polar M400): 04:49 Std. (ohne Pausen)
– Parken: Großer Parkplatz am Kreisel in Blieskastel, Bahnhofstraße
– Rückweg: Geplant war eine Rückfahrt per Bus von Reinheim nach Blieskastel (samstags einmal pro Stunde)
– Achtung: Befahrungsverbot ab 15.03. – Eine Erweiterung, zeitlich und räumlich, ist geplant, bitte informiert euch in jedem Fall vorher.
Los geht’s auf der winterlichen Blies
Um kurz nach 10 Uhr erreichen wir an diesem Samstagmorgen Blieskastel im Biospärenreservat Bliesgau. Wir parken am Kreisel in der Bahnhofstraße auf einem großen Parkplatz, denn direkt dahinter fließt die Blies. Laut Kanuführer befindet sich hier der Einstieg auf der rechten Flussseite an der großen Brücke. Und tatsächlich, unter der Brücke der B423 finden wir eine kleine Slipanlage für Kanus und einen geeigneten Einstieg für uns. Es sind knapp 5 Grad Lufttemperatur an diesem Morgen, also frischer als ich dachte. Wir pusten unsere Packrafts auf, schälen uns in die geliehenen Trockenanzüge und müssen noch kurz improvisieren, denn der Herzenmensch hat die Reepschnur zur Befestigung des Packsacks noch nicht wieder am Boot. Zum Glück haben wir aber andere Schnüre dabei (und ja, wir haben ja Packrafts mit TiZip zum Verstauen von Gepäck in den Schläuchen). Dann kann es los gehen.
Ein erster Ausstieg nach noch nicht mal 500 Metern
Kaum sitzen wir und haben die widerspenstige Spritzdecke fest gemacht – nicht ganz so easypeasy mit Neoprenhandschuhen – kommt schon ein unerwartetes erstes Hindernis auf uns zu. Ein riesiger Baum ist quer über die Blies gestürzt, eine weitere Befahrung hier unmöglich. So müssen wir nach nicht mal 500 Metern schon wieder raus aus den Booten und das steile Ufer hoch kraxeln. Puh, kurzzeitig steigen der Puls und die Bedenken, die ganzen 16 Kilometer könnten angesichts solcher Hindernisse aus den Winterstürmen viel zu viel werden. So schnell lassen wir uns davon aber nicht aus dem Tritt bringen. Der erneute Einstieg klappt ganz gut und wir paddeln hinein in die Bliesaue in Richtung Bliesdahlheim.
Stille und Vogelgezwitscher empfangen uns. Wir hier unten auf dem Fluss fühlen uns wie alleine auf der Welt. Vermutlich verlaufen oben am Rand des Ufers Wege und sind die Dörfer nicht weit, aber wir sehen sie nicht und bekommen fast nichts mit davon. Riesige Bäume, alle kahl, säumen das Ufer. Die Blies fließt langsam und nimmt uns mit sich. Immer mal wieder weichen wir Ästen und anderen Hindernissen aus, aber alles klappt ohne weitere Ausstiege. Entspannung und innerliche Ruhe machen sich in uns breit. Ist das herrlich!
Biosphärenreservat Bliesgau:
Das Biospärenreservat Bliesgau liegt im südöstlichen Saarland und grenzt an Frankreich und Rheinland-Pfalz. Hier gibt es viele seltene Tier- und Pflanzenarten, zum Beispiel findet man den Steinkauz, verschiedene Schmetterlingsarten und Wiesen, in denen wilde Orchideen beste Bedingungen haben. Typisch für den Bliesgau sind die weiten Streuobstwiesen, aus denen z.B. der regionale Apfelsaft stammt. Ziel des Biospärenreservates Bliesgau ist “der Erhalt der traditionellen Kulturlandschaft und der damit verbundene Artenvielfalt”. In Deutschland gibt es 15 von der UNESCO anerkannte Biosphärenreservate.
Quelle: Biosphärenreservat Bliesgau
Nach knapp einem Kilometer kommt das erste Wehr bei Mimbach in Sicht, wie vom Kanuführer beschrieben. Das Wasser fließt zwar ganz gut darüber hinweg, unten stehen aber spitze Steine aus dem Wasser, also entschließen wir uns zum Umtragen. Gute Entscheidung, wie sich bei der späteren Ansicht des Wehres von unten herausstellt. Auf der Wiese am Wehr arbeitet ein Paar an seinem Holz. Die beiden schauen uns interessiert zu, wie wir unsere Packrafts mit Leichtigkeit über Land tragen und wieder einsetzen. Wir kommen kurz ins Gespräch, eine nette Begegnung.
Ganz viel Natur und leider auch Müll
Weiter geht es für uns mit dem grünen Wasser der Blies, das eher träge fließt. Unterwegs erschrecken wir immer wieder über die Mengen an Müll, die am Ufer und an Hindernissen hängen bleiben. Leere Bierkästen, Plastikflaschen und -tüten bis hin zu alten Ölkanistern – es macht mich betroffen, wir sehr wir Menschen doch unsere Umwelt verschmutzen. Gerade hier in einem Biospärenreservat, in dem so viel Wert auf den Schutz von Wasservögeln und anderen Bewohnern der Auen gelegt wird. Schlimm!
Zum Glück sind es vereinzelte Sichtungen. Wir können hier ganz viel Natur und ganz viel Ruhe genießen. Wir finden in unseren Paddelrhythmus, lassen die Boote aber auch immer wieder treiben und genießen diesen Tag. Es ist dank der Trockenanzüge nicht kalt, trotz der niedrigen Außentemperaturen. Sogar die Sonne lässt sich ab und an blicken. Ein Stück fahren wir entlang der Landstraße, dann verschwindet die Blies wieder ins Grüne und wir mit ihr.
Wir kommen gut voran und erreichen nach 6 Kilometern und knapp anderthalb Stunden später das nächste Wehr an der Bliesmühle in Breitfurt. Ein riesiger Damm aus Beton lenkt den Fluss hier zur Mühle, das riesige Wehr ist nicht mal ansatzweise fahrbar. Am Rand des Betons lässt es sich gut aussteigen. Vorsichtig klettern wir die Wand hinunter und setzen unten wieder ein.
Unterwegs sehen wir immer wieder verschiedene Vögel, ich erkenne die schwarzen Kormorane und höre einen Specht. Bäche fließen mal zart, mal über kleine Wasserfälle in die Blies während wir immer weiter paddeln, unserem Ziel Reinheim entgegen, das gar nicht mehr so weit entfernt scheint.
4 Kilometer weiter erreichen wir Herbitzheim und damit ein großes Wehr, über das das Wasser der Blies relativ flach fließt. Können wir oder können wir nicht? Das ist die Frage, die wir uns hier von oben stellen. Ich bezweifle, dass das Wasser unsere Boote mitnehmen würde, dazu ist es doch zu wenig. Wir entscheiden uns für Umtragen und finden ganz links einen guten Weg dafür. Dieses Mal ist der Weg weiter, wir laufen bis zur Straßenbrücke. Hui, von dieser Seite sieht man erst das ganze Ausmaß des Wehres: Es hat einen relativ großen Absatz am unteren Rand, der von oben nicht sichtbar war. Man, bin ich froh, dass wir es nicht gewagt haben. Übrigens lag unser Kanuführer daheim (tödööö… vergessen), der hätte uns nämlich direkt gesagt, dass dieses Wehr in Herbitzheim unfahrbar ist.
Noch gut 6 Kilometer liegen vor uns. Wir könnten hier aussteigen und in den Bus zurück nach Blieskastel, aber der Ehrgeiz hat uns gepackt und wir wollen bis nach Reinheim weiter. Bisher ging es gut, alle weiteren Bäume über dem Fluss konnten wir umfahren und die Wehre haben wir auch gut geschafft. Ich bin stolz auf uns und freue mich, dass unsere erste Wintertour so gut klappt. Also weiter.
Inzwischen begleitet uns die Sonne immer öfter. Noch immer fließt die Blies ruhig vor sich hin, grün und breit wie die ganze Zeit schon. Im Sommer, wenn alles grün ist und blüht, ist es bestimmt fantastisch hier.
Wer sein Boot liebt, der schiebt – oder wie war das?
Ein letztes Wehr, wieder unfahrbar, wartet in Gersheim auf uns. Über die Steine tragen wir die Boote vorsichtig auf die andere Seite, müssen dann noch ein paar Meter zu Fuß durch das Wasser waten bis es tief genug zum Weiterpaddeln ist.
Hinter Gersheim wird es wieder still und einsam, kaum eine Brücke oder Häuser entlang des Flusses. Kurz scheint es spritziger zu werden, die Ufer rücken näher zusammen, zum ersten Mal sehen wir Wellen, aber es ist mehr Schein als Sein. Ein paar Meter weiter ist es auch schon vorbei und wir treiben wieder langsam im grünen Wasser. Meine Schultern und mein Rücken zwicken immer mal wieder, so lange am Stück bin ich bisher nicht gepaddelt, die in den letzten Monaten wenig geübte Bewegung macht sich bemerkbar.
Wir erreichen unseren Zielort Reinheim und einen wunderbaren Ausstieg mit Kanuanlegestelle und Treppen für Kanuten und uns Packrafter. Knapp 5 Stunden Fluss liegen hinter uns, wir sind unglaublich stolz und freuen uns, diese Tour geschafft zu haben. Wir packen zusammen und dank eines lieben Kollegen des Herzenmenschens können wir uns mit einem Stück Kuchen stärken und müssen nicht mal mit dem Bus zurück nach Blieskastel fahren – danke noch mal!
An der Anlegestelle informiert ein Schild über das Kanufahren auf den kommenden Kilometern und damit dem fanzösischen Teil der Blies. Das nehmen wir uns für den Sommer vor (am besten wohl unter der Woche, lassen wir uns sagen) und sind schon gespannt auf die Fortsetzung.
Wie sieht es bei Dir aus? Warst Du schon mal auf der Blies unterwegs? Ich freue auf Deine Tipps und Anregungen in den Kommentaren!
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